Servicestelle Friedensbildung

Baden-Württemberg

 

SRI LANKA

Eine Konfliktanalyse aus friedenspädagogischer Sicht

Konfliktanalysen - Arbeitsanregungen

Eine Konfliktanalyse ist ein wichtiges Mittel, um bewaffnete Konflikte zu verstehen und Friedensstrategien zu entwickeln. Um vielfältige Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Konfliktanalysen in der praktischen Bildungsarbeit, ob in der Schule oder auch außerschulisch, eingesetzt werden können, hat die Servicestelle Friedensbildung drei unterschiedliche Anregungen mit konkreten Aufgaben zum Einsatz der Konfliktanalysen entwickelt. Diese haben jeweils einen eigenen Schwerpunkt:

 weiter

Konfliktanalysen - Lernposter

Wie kann man einen bewaffneten Konflikt oder Krieg mit einem Fokus auf Frieden analysieren? Mithilfe von Leitfragen, die vom Team der Servicestelle Friedensbildung entwickelt wurden, wird es erleichtert, einen tieferen Einblick in Konfliktsituationen zu gewinnen. Diese Leitfragen werden auf einem Lernposter in Illustrationen präsentiert, die dazu anregen, verschiedene Ansätze aus der Friedens- und Konfliktforschung anzuwenden. Sie laden dazu ein, vielfältige bestehende und mögliche Friedenspotenziale zu erforschen und zusammenzutragen. Das Poster hier zum Download:

weiter

 

Wo? – Konfliktregion

Sri Lanka ist ein Inselstaat in Asien. Die Insel liegt südöstlich des indischen Subkontinents im Indischen Ozean. Die Singhalesen machen einen großen Teil der 22 Millionen großen Bevölkerung aus. Die auf Sri Lanka lebenden muslimischen Tamil:innen werden auf gut zwei Millionen geschätzt.

Wer? – Konfliktparteien

In Sri Lanka leben schon seit über 2000 Jahren verschiedene ethnische Gruppen. Heute sind die Singhales:innen die dominierende Bevölkerungsgruppe (ca. 75%) und die Tamil:innen die größte Minderheit im Land (ca. 15%). Von 1983-2009 liefern sich Regierungstruppen und die radikale „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ LTTE (eine paramilitärische Organisation) einen Bürgerkrieg. Die tamilischen Separatist:innen kämpfen um ihre Unabhängigkeit vom Inselstaat Sri Lanka und wollen aus den tamilischen Siedlungsgebieten im Norden und Osten einen unabhängigen Staat Tamil Eelam bilden.

Der Konflikt bleibt dabei weitgehend innerstaatlich. Lediglich Indien ist durch die geographische und kulturelle Nähe (in Südindien leben sehr viele Tamil:innen) involviert und sendet im Interesse der regionalen Stabilität Friedenstruppen.

Auch Jahre nach offiziellem Ende des Bürgerkriegs im Jahr 2009 gibt es noch immer Spannungen zwischen der singhalesischen und tamilischen Bevölkerung. 

Wann? – Zeittafel

1796–1947: Britische Kolonialzeit
Während der britischen Besetzung werden viele Tamil:innen in der Verwaltung eingesetzt, da sie als besonders gebildet gelten. So haben die Tamil:innen damals schon wichtige Positionen inne, was von vielen Singhales:innen als Ungerechtigkeit empfunden wird. Das gezielte Einsetzen von Tamil:innen kann als Teile-und-Herrsche Taktik  der britischen Besatzung verstanden werden. Die Teile-und-Herrsche Taktik spaltet eine zu besiegende oder zu beherrschende Gruppe (wie z. B. ein Volk) in Untergruppen mit einander widersprechenden Interessen auf.
Zudem lässt die britische Besatzung viele Tamil:innen aus Indien als Arbeitskräfte nach Sri Lanka kommen, sodass der Anteil von Tamil:innen von 12 auf 18 Prozent ansteigt.

1956: Wahlsieg der Sri Lanka Freedom
Die Sri Lanka Freedom Party (SLFP) gewinnt die Parlamentswahl und verfolgt eine Politik der „Singhalisierung“. So wird beispielsweise Sinhala zur einzigen Amtssprache gemacht und der Buddhismus als die vorherrschende Religion der Singhales:innen besonders gefördert. Zudem wird eine Quotenregelung für die Zulassung zu Universitäten erlassen, welche die bislang überproportional vertretenen Tamil:innen strukturell benachteiligt. Es formiert sich schnell ein gewaltfreier Widerstand gegen die Ungleichbehandlung. Die Widerstandsbewegung ist dabei zunächst in viele Kleingruppen zersplittert.

1972: Gründung der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE, auch Tamil Tigers genannt)
Die LTTE steigt bald zur größten militanten Gruppierung auf und bekämpft auch moderatere tamilische Widerstandsbewegungen. Sie gewinnt mit ihren starken Führungspersönlichkeiten und radikalen Idealen schnell an Einfluss.

1983: Beginn des Bürgerkriegs
Aufgrund der zunehmenden Unterdrückung der tamilischen Bevölkerung erhält die LTTE immer mehr Zulauf. Der Beginn des offenen Bürgerkrieges wird 1983 mit dem Anschlag der LTTE auf eine Militäreinrichtung der Regierung im Norden datiert. Dabei kommen 13 Soldat:innen ums Leben. Im Anschluss gibt es landesweite Pogrome gegen die tamilische Minderheit.

2009: Ende des Bürgerkriegs
Nach 26 Jahren Bürgerkrieg erklärt der sri-lankische Präsident Rajapaksa die LTTE für besiegt und den Bürgerkrieg für beendet. Auch die LTTE erklärt, die Waffen ruhen zu lassen. Die UNO schätzen, dass in der Schlussphase des Krieges mehrere zehntausend Menschen getötet wurden.

2022-2023: Unruhen und Wirtschaftskrise
Eine schwere Wirtschaftskrise, verstärkt durch die Corona-Pandemie, führt zu Versorgungsengpässen mit Treibstoff und Nahrungsmitteln. Der Ministerpräsident tritt im Mai 2022 nach einer Protestwelle zurück. Es kommt zu Massenprotesten im Land.

Wie? – Mittel der Konfliktaustragung

Regierungstruppen

  • Angriffe auf Zivilist:innen
  • Vertreibungen der tamilischen Bevölkerung aus mehrheitlich singhalesischen Gebieten
  • Verweigerung von humanitären Hilfsgütern für tamilische Flüchtlinge (z.B. auch während des Tsunamis 2006)

LTTE: Liberation Tigers of Tamil Eelam (auch „Tamil Tigers“ genannt)

  • Selbstmordattentate (ca. 240)
  • Angriffe auf Zivilist:innen (u.a. auch in religiösen Stätten)
  • Rekrutierung von Kindersoldat:innen
  • Vertreibungen, bei denen singhalesische und muslimische Bewohner:innen aus den besetzten Gebieten fliehen müssen
  • Eintreiben von Geld durch tamilische Flüchtlinge (auch unter Drohung)
  • vermeintlicher Waffelschmuggel, Drogen- und Menschenhandel

Warum? – Erklärungen für den Konflikt

Strukturelle Ungleichbehandlung (machtbasierter Erklärungsansatz)

Der Beginn der strukturellen Ungleichbehandlung liegt in der Kolonialzeit (siehe oben). So wird während der britischen Besatzung zunächst die tamilische Bevölkerung bevorzugt, welche damit zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit wichtige Positionen in Verwaltung und Wirtschaft besetzt. Dies wird von vielen Singhales:innen als Ungerechtigkeit empfunden. Parteien wie die Sri Lanka Freedom Party setzen sich für eine „Singhalisierung“ der Insel ein und beginnen damit, die tamilische Bevölkerung systematisch zu benachteiligen.

Kulturelle Identitäten wurden gezielt instrumentalisiert (kultureller Erklärungsansatz)

Die verschiedenen kulturellen Identitäten und später auch ideologischen Unterschiede können nur bedingt den Ausbruch bzw. den Verlauf des Bürgerkriegs erklären. Sie lebten vor der Kolonialzeit in verschiedenen Königreichen und erst mit dem Ende der Kolonialzeit 1948 finden sie sich plötzlich in einem Staatsgebilde wieder. Im Hinblick auf die koloniale Geschichte ist ersichtlich, dass die kulturellen, religiösen und ideologischen Differenzen der jeweiligen ethnischen Gruppen von beiden Seiten nach der Unabhängigkeit instrumentalisiert, d.h. systematisch ausgenutzt wurden, um den Konflikt zu befeuern.

Friedenspotenziale

Welche Friedensbemühungen gibt es bereits?

International: Militärische Konfliktbearbeitung mit UN-Mandat

1987 entsendet Indien mit UN-Mandat und unter Zustimmung der sri-lankischen Regierung Friedenstruppen (Indian Peace Keeping Forces, IPKF). In diesem Zuge handelt Indien auch einen Friedensvertrag mit der Regierung aus. Dieser besagt, dass die Tamil:innen in einem festgelegten Gebiet Sri Lankas weitreichend autonom leben können sollen. Allerdings bekämpft die LTTE die IPKF in einem blutigen Guerillakrieg, in dem ca. 1500 indische Soldat:innen sterben. Nach fast drei Jahren zieht sich Indien auf Druck der Regierung Sri Lankas erfolglos aus dem Konflikt zurück.

Welche Friedensansätze werden diskutiert?

Forderung nach Aufarbeitung von Menschenrechtsverbrechen

Die Regierung lehnt ein internationales Tribunal zur Aufarbeitung von Menschenrechtsverbrechen bislang vehement ab. Der heutige Präsident war damals Verteidigungsminister. Die Regierung verspricht jedoch die Einrichtung einer „Wahrheits- und Versöhnungskommission“, die den Vorwürfen gegen die sri-lankische Armee nachgehen soll. Bislang findet jedoch keine Aufarbeitung statt. Stattdessen hat die Regierung durch das mittlerweile seit 43 Jahren bestehende „Anti-Terror-Gesetz“ noch immer weitreichende Mittel, um Einzelpersonen und Minderheiten systematisch zu unterdrücken.

Zivilgesellschaftliche Initiativen

Aufgrund der noch immer angespannten politischen Lage können zivilgesellschaftliche Organisationen nicht frei im Land operieren. Zahlreiche Organisationen setzen sich dennoch für Gerechtigkeit und eine friedliche Zukunft ein, wie z.B. das Women Action Network oder das People’s Lawyer Movement. Unterstützung erhalten sie dabei auch von Partnern der Entwicklungszusammenarbeit wie medico international oder der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Konfliktzwiebeln

Konfliktpartei: Regierungstruppen

Positionen
-    Sri Lanka ist ein singhalesischer und buddhistischer Staat
-    Insel muss unter Kontrolle sein
Interessen
-    Wiedergutmachung für Bevorzugung der Tamil:innen
-    Alleinherrschaftsanspruch
Bedürfnisse
-    Sicherheit

 

Arbeitsblatt Konfliktzwiebel (leer)

Arbeitsblatt Konfliktzwiebel Regierungstruppen (ausgefüllt)

Konfliktpartei: Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE)

Positionen
-    Forderung nach Unabhängigkeit des Nordens und Ostens von Sri Lanka
-    Es braucht revolutionären Sozialismus
Interessen
-    politische Autonomie
Bedürfnisse
-    Gerechtigkeit
-    Anerkennung als Bevölkerungsgruppe
-    politische Gleichstellung

 

Arbeitsblatt Konfliktzwiebel (leer)

Arbeitsblatt Konfliktzwiebel LTTE (ausgefüllt)

 

Konfliktbaum

Konfliktbaum Sri Lanka

Effekte und Auswirkungen

-    100.000 Tote sowie zahlreiche Vermisste
-    1,6 Mio. Flüchtlinge und Vertriebene
-    starke Verminung des Landes
-    Menschenrechtsverletzungen
-    Spannungen zwischen ethnischen und religiösen Gruppen

Kernproblem: systematische Bevorzugung der tamilischen Bevölkerung während der britischen Kolonialzeit --> soziale Ungleichheit von Singhales:innen und Tamil:innen

Konfliktursachen

-    Kolonialismus und gezieltes Ausspielen der singalesischen gegen die tamilische Bevölkerung
-    Gefühl der Benachteiligung der Singhales:innen --> Sinhala-only-Politik
-    starke Militarisierung und Radikalisierung der LTTE
-    Unterdrückung der tamilischen Bevölkerung

Arbeitsblatt Konfliktbaum (leer)

Arbeitsblatt Konfliktbaum Sri Lanka (ausgefüllt)

 


 

Literatur und Quellen

Karten

Weitere Materialien:

Träger der Servicestelle Friedensbildung

Cookieeinstellungen
X

Wir verwenden Cookies

Wir nutzen auf unseren Websites Cookies. Einige sind notwendig, während andere uns helfen, eine komfortable Nutzung diese Website zu ermöglichen. Einige Cookies werden ggf. für den Abruf eingebetteter Dienste und Inhalte Dritter (z.B. YouTube) von den jeweiligen Anbietern vorausgesetzt und von diesen gesetzt. Gegebenenfalls werden in diesen Fällen auch personenbezogene Informationen an Dritte übertragen. Bitte entscheiden Sie, welche Kategorien Sie zulassen möchten.